Die Demokratie steht auf wackeligen Beinen. Herausgefordert durch rechte Strömungen, extremistische Ideologien, systemfeindlichen Stimmen und Online-Hass, wird es immer wichtiger sich der Bedeutung der Demokratie als Instrument zur Wahrung von Grundfreiheiten und Menschenrechten sowie als Basis des Allgemeinwohls bewusst zu werden.
Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit! Sie muss jeden Tag gefördert, geschützt, verhandelt, verteidigt und gepflegt werden. Der heutige Berliner Demokratietag bietet daher eine gute Gelegenheit für eine Bestandsaufnahme: Wie ist es um den Zustand der Demokratie in der Hauptstadt bestellt? Wie inklusiv ist sie wirklich? Hat jede*r Zugang an demokratischen Prozessen teilzunehmen? Und welche neuen Formen und Ressourcen können für eine bessere Demokratiepraxis aktiviert werden?
Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte möchten am #DemTagBerlin dazu anregen, in welchen Bereichen die Demokratie Verbesserungsbedarf hat und wie Teilhabe, Beteiligung und eigene Mitgestaltungsmöglichkeiten in einer Demokratie gestärkt werden können.
- Die Einbeziehung strukturell benachteiligter Gruppen: Noch immer spiegeln die Bezirksverordnetenversammlungen nicht die tatsächliche Vielfalt der Bevölkerung wider. Wir wollen, dass unsere Politik ein Abbild der Gesellschaft in ihrer Vielfältigkeit ist. Daher brauchen wir mehr Teilhabe von BIPoC, migrantische LGBTQIA*, Frauen, Kindern und Jugendlichen, Menschen mit Rassismus- und Diskriminierungserfahrung sowie Menschen mit Behinderungen. Denn erst wenn alle strukturell benachteiligte Gruppen gleichberechtigt an demokratischen Prozessen mitwirken können, können auch alle Interessen und sozioökonomischen Perspektiven vertreten und berücksichtigt werden
- Empowerment der strukturell benachteiligten Gruppen: Menschen, die ihr Leben lang an der Peripherie der Gesellschaft verbracht und Diskriminierungserfahrungen erlebt haben, müssen ermutigt oder unterstützt werden, sich für ihre Perspektive in der Politik einzusetzen und aktiv an der Politik teilzunehmen. Solche Empowerment-Methoden und demokratische Projekte gilt es zu fördern. Wir wollen gemeinsam mit den anderen demokratischen Fraktionen die Tradition eines jährlich tagenden Jugendparlaments, Parlaments für Menschen mit Behinderungen und ein Parlament für Menschen mit Migrationsgeschichte begründen.
- Den Dialog mit den Menschen fördern: Die Algorithmen der sozialen Medien verändern unsere mediale Wahrnehmung und verleiten dazu, dass Menschen vermehrt in ihren eigenen Blasen leben. Das verstärkt radikale Meinungen und führt zu einer Spaltung der Gesellschaft. Deshalb ist es für uns wichtig, den Dialog mit den Menschen stets zu pflegen. Wir empfinden den Dialog mit Menschen anderer Meinungen als zentralen und bereichernden Bestandteil der Demokratie. Nur so können Vielfalt und Pluralismus gelebt werden.
- Senkung des Wahlalters: Vor allem in den letzten Jahren haben junge Menschen ihren Willen zu mehr Demokratiebeteiligung demonstriert. Mit den Klimaprotesten haben sie gezeigt, wie politisch sie sind und fordern ein Mitspracherecht auf Augenhöhe an der politischen Gestaltung ihrer Zukunft. Politik muss zukunftsorientiert im Interesse der jüngeren Generationen handeln. Daher sind wir für die Senkung des Wahlalters im Land und für die Etablierung eines Jugendparlaments im Bezirk.
- Wahlrecht für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit: In Deutschland ist das Wahlrecht an die Nationalität geknüpft. Lediglich bei Kommunalwahlen dürfen sich EU- Bürger*innen beteiligen. Menschen aus Nicht-EU-Staaten sind davon ausgenommen. Das bedeutet, dass rund 10 Millionen Menschen bei Wahlen auf Landes- und Bundesebene kein Mitspracherecht haben, obwohl sie in Deutschland leben und hier Steuern zahlen. Da Teilhabe ein Menschenrecht ist, sollten Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit auch wählen dürfen
- Demokratische Prozesse für alle Verständlich machen: Demokratische Prozesse sind mitunter komplex und Bedarfen rechtlicher und politischer Einordnung. Wir setzen uns für Transparenz und eine Kommunikation auf Augenhöhe ein. Wir wollen nah an den Menschen in Mitte sein und als Ihre Ansprechpartner*innen gemeinsam für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit kämpfen.
- Sichere Räume und Ressourcen dafür zur Verfügung stellen: Einer Minderheit anzugehören bedeutet, im Alltag immer auf der Hut zu sein- vor Belästigungen, vor Anfeindungen oder sogar gewaltsamen Angriffen. Es bedeutet aber auch sich immer wieder erklären zu müssen und sich nicht verstanden zu fühlen. Deswegen braucht es Räume, die Orte der Sicherheit sind. Orte, an denen die eigene Kultur und Identität selbstbestimmt ohne Bewertung und Vorverurteilung ausgelebt werden kann. Deswegen ist es wichtig, auf Bezirksebene Räume zur Verfügung zu stellen, an denen Kulturschaffende und Minderheiten ihre Kultur in einem sicheren Rahmen leben und ihre Communities damit repräsentieren können. Dazu möchten wir die Umsetzung des Partizipations- und Integrationsgesetz sowie des Diversity-Landesprogramms in allen Punkten auf Bezirksebene erwirken, um Menschen vor Diskriminierung zu schützen und einen kompetenten Umgang aller öffentlichen Strukturen mit Vielfalt zu fördern.
- Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehören zum unserem Demokratieverständnis, da es um das Allgemeinwohl geht! Deswegen ist es im Interesse aller sich für den Kampf gegen den Klimawandel und eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen.
- klare Kante gegen Rechtextremismus, Nationalismus, Populismus, Hass und Gewalt. Politisch motivierte Gewalt und extremistische Äußerungen bedrohen unsere Demokratie. Deswegen müssen demokratische Werte, Engagement und Zivilcourage im Bezirk gestärkt werden und jegliche Form von Rassismus und Diskriminierung auf allen Bezirksebenen geahndet und wirksam bekämpft werden.
- Feminismus als politisches und gesellschaftliches Instrument der demokratischen Praxis: Historisch gesehen sind Frauen auf den meisten Regierungsebenen unterrepräsentiert. Im Deutschen Bundestag liegt der Frauenanteil bei 35 %. In den zwölf Berliner Bezirksverordnetenversammlungen liegt der Frauenanteil bei 42,9% und damit weit über dem bundesweiten Durchschnitt. Hier sind nur 27% aller gewählten Mitglieder*innen in den Kommunalvertretungen weiblich. Unter den gewählten Amtsträger*innen tendieren Frauen eher als Männer dazu, politische Maßnahmen zu unterstützen, die zum Abbau geschlechtsspezifischer Unterschiede beitragen. Demokratie braucht den Feminismus: Je mehr Gleichberechtigung, desto stärker die Demokratie!
- pluralistische Erinnerungskultur(-en) stärken und sichtbar machen: Gegen das Vergessen einzustehen ist fest in unserem grünen Selbstverständnis verankert. Daher setzen wir uns für eine Förderung der Erinnerungskultur und der politischen Bildung im Bezirk ein und möchten Orte der Geschichte aufwerten und sichtbar machen.
Für mehr Teilhabe, Respekt und zum Schutz aller im Bezirk lebender Bevölkerungsgruppen!
Jelisaweta Kamm, Vorsteherin der BVV-Mitte und Marian Luca, Vorsitzender des Integrations- und Partizipationsausschusses für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen BVV Mitte.